Mit Angel Delgadillo können wir vermutlich eine Barberstory mit dem dienstältesten aktiven Barbier der Welt präsentieren. Angel blickt auf ein langes bewegtes Leben in seinem Metier zurück. Aber das ist nicht einmal das, wofür er am meisten bekannt ist. Angel ist die zentrale Figur und eine Berühmtheit im Kampf um den Erhalt der historischen Route 66 – der alten Schlagader, die die US-Staaten im Osten mit der Westküste verbunden hatte.
Diese Mutter aller amerikanischen Straßen, deren Trasse in die Siedlerzeit zurückführt und die heute noch der ultimative Traum nicht nur eines jeden Harley- Fahrers ist. 1927 in Seligman / Arizona geboren hatte Angel noch die Durchreise hunderttausender Landarbeiter erlebt, die auf der Flucht der „Großen Depression“ infolge mehrerer Dürrejahre von Oklahoma und Texas zu den Plantagen in Kalifornien zogen. John Steinbeck hatte diesen Menschen mit seinem 1939 erschienenen Roman Früchte des Zorns ein literarisches Denkmal gesetzt. 1978 war die alte Route 66 mit der Eröffnung des Interstate Highway 40 zunächst bedeutungslos geworden. Orte wie Seligman waren praktisch über Nacht abgeschnitten von Tourismus und Nutzverkehr und drohten fast vollständig zu veröden. Doch hiermit wollten sich Angel und seine Mitstreiter nicht abfinden. Neun lange Jahre kämpften sie entschlossen, bis die Route 66 schließlich 1987 als „State Historic Route“ anerkannt wurde. Aus seinem reichen Erfahrungsschatz ist es vor allem eine Botschaft die Angel an jüngere Generationen weitergeben möchte: „Nicht Politiker haben das für uns gemacht. Das waren wir: die Menschen. Wenn Du etwas tun willst, frage nicht erst Deinen Nachbarn, was er davon hält. Tu es einfach.“ Für sein Engagement für die Route 66 wurde er unter anderem mit dem John Steinbeck Award ausgezeichnet. Aufgrund seiner Expertise wurde er außerdem für den 2006 erschienen Pixar-Animationsfilm Cars als Berater herangezogen.
Doch Angel ist nicht nur eine lebende Legende. Er ist zwei lebende Legenden. 2015 erfolgte seine Aufnahme in die Barbers Hall of Fame. Vier Familien-Generationen aus Seligman hatte er auf seinem Stuhl. Mit dem, was ihm seine Kunden während des Barbierens erzählt haben, könne er 50% der Einwohner von Seligman ins Gefängnis bringen sagt er und lacht. Aber das hat keine Gefahr. „Liebe, Zärtlichkeit und Sorgfalt“ ist sein Lebensmotto oder anders und ebenfalls griffig ausgedrückt: „Im Leben geht es ums Geben, nicht ums Nehmen.“ Nichts erfüllt ihn mehr als ein Kunde, der zufrieden seinen Stuhl verlässt. Und das ist ein Glück für beide Seiten.
